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Plätzchen, Guetzli oder doch Plätzli? Wie Weihnachtsgebäck in Deutschland und der Schweiz genannt wird (und wie nicht)

Deutsch(e) in der Schweiz, Rubrik: Falsche Kollegen

17 Dez 2023
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Wie nennt man Plätzchen in der Schweiz?

Ich ♥️ Deutsch. Und ich liebe es, immer wieder neue Facetten meiner Muttersprache zu entdecken. Was hätte mir da Besseres passieren können, als in ein Land zu ziehen, das auf dem Papier zwar die gleiche Schriftsprache hat wie Deutschland, aber doch so anders tickt, spricht und eben auch schreibt? Ich nehme euch mit auf mein sprachliches Abenteuer «Deutsch(e) in der Schweiz».

«In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Leckerei …» Aber was genau wird denn landauf, landab gebacken in der Adventszeit? Wie nennen wir Zimtsterne, Vanillekipferl & Co.? Wie so oft hängt dies davon ab, ob wir uns in der Schweiz oder Deutschland befinden – und je nachdem auch, wo genau im jeweiligen Land.

Achtung: Selbst bei etwas so Harmlosem wie Weihnachtsgebäck lauert der ein oder andere falsche Freund!

Von deutschen Plätzchen und der Verniedlichungsform

Den wenigsten erzähle ich wohl etwas Neues, wenn ich sage, dass in Deutschland das Standardwort für Weihnachtsgebäck «Plätzchen» ist. Ein Wort, das in dieser Bedeutung nur in der Verniedlichungsform (von Sprachnerds wie mir auch «Diminutiv» genannt) existiert – genauso wie «Mädchen» oder «Seepferdchen».

Nun ist das Schöne an Sprache ja, dass sie gewisse Regelmässigkeiten aufweist. Wenn wir mit einer uns fremden Sprache oder einem unbekannten Dialekt in Kontakt kommen, verinnerlichen wir mit der Zeit solche Regelmässigkeiten (ob bewusst oder unbewusst).

So frohlocken Deutsche in der Schweiz, denn sie bemerken schnell: Das Diminutiv im Schweizerdeutschen ist in der Regel «-li». So ist ein «Lätzchen» ein «Lätzli», ein «Schneckchen» ein «Schneckli» und die schwäbischen «Spätzla*» sind «Spätzli» (zumindest mehr oder weniger; ans Original kommt letztlich nichts ran).

So weit, so klar.

Plätzli – für Deutsche in der Schweiz nur vermeintlich niedlich/süss

Doch dann sieht Dora Deutschfrau in der Schweiz auf einmal «Plätzli» auf der Speisekarte im Restaurant oder auf einer Tiefkühlpackung im Supermarkt und versteht die Welt nicht mehr: «Weihnachtsplätzchen als Hauptspeise oder gefroren als Convenience Food? Die spinnen, die Schweizer …»

Aber nein, unsere südlichen Nachbarinnen haben nicht etwa einen eigenartigen Geschmack (zumindest nicht in diesem Fall ;)). «Plätzli» bedeutet in der Schweiz einfach etwas anderes, nämlich:

  • kleine (meist runde oder ovale) Fleischstücke, ähnlich wie in Deutschland Naturschnitzel oder Schweinemedaillons
    oder auch
  • kleine (z. B. mit Käse oder Spinat) gefüllte Teigtaschen, ein bisschen wie Empanadas.

(Im Zweifel empfehle ich eine Google-Bilder-Suche, das ist wahrscheinlich hilfreicher als meine hinkenden Vergleiche.)

In Schweizer Küchen duftet es in der Adventszeit nach … Guetzli!

Nun wissen wir also, wie Weihnachtsplätzchen in der Schweiz nicht genannt werden: «Weihnachtsplätzli». Doch was wird dann in der Adventszeit ausgestochen und gebacken, wonach riecht (oder in dem Fall «schmeckt») eine schweizerische Weihnachtsbäckerei?

Die Antwort ist: «Guetzli» (oder auch «Gutzi», wie mir eine Freundin als Feedback auf den Artikel erzählt hat).

Und davon gibt es auch hierzulande nicht gerade wenige: ob Zimtsterne oder Spitzbuben, ob Chräbeli oder Mailänderli – an weihnachtlichen Leckereien mangelt es sicher nicht.

Ein kleiner Sprung zurück über die Grenze: von Guadsla, Bredla und Loibla

Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht nur aus Deutschland, sondern genauer genommen aus Schwaben komme. Und wir Süddeutschen brauchen ja meist eine Extrawurscht – oder in diesem Fall: Extragebäck.

Da ich sprachlich gesehen leider keine waschechte Schwäbin bin, habe ich eine kleine Umfrage unter meinen alten Schulfreundinnen gestartet (vielen Dank an dieser Stelle an Giulia, Susi und Kerstin). Das Ergebnis: Je nach Region im Schwabenländle nennt man Plätzchen «Bredla/Brödla*» (kleine Brote), «Loibla*» (kleine Laibe) oder – Trommelwirbel – «Guadsla*»!

Wie perfekt wäre dieser Abschluss? Mal wieder würde sich der Kreis schön schliessen und das Schwäbische und das Schweizerdeutsche – die Sprachen meiner Heimat respektive Wahlheimat – wären sich einig.

Tja … Wäre, würde, Fahrradkette. Denn genau hier schlummert ein weiterer falscher Freund: In manchen Regionen Schwabens sind «Guadsla» nämlich keine Plätzchen, sondern Bonbons. Und: Meine Freundin Michelle (vielleicht kennst du sie schon aus meinem ersten Blogartikel über falsche Kollegen), die aus der Ostschweiz kommt, meinte noch: «Wie lustig, bei uns ist «guetslä/guatsla» ein Verb und heisst «Guetzli machen.»

Na, vollends verwirrt? Macht nichts, denn am Ende ist ja eigentlich egal, wie die Dinger heissen – Probieren geht über Studieren. Und mit vollem Mund soll man ja eh nicht sprechen. En Guete!

 

* Wunderst du dich, dass hier jeweils nicht «-le», sondern «-la» als Endung steht? Dank meiner Freundinnen kann ich das nun auch erklären: Ersteres ist der Singular, Letzteres der Plural. Und ein Spätzle oder ein Guadsle kommt nun mal selten allein … Zum Glück! ;)

Wie werden Plätzchen in der Schweiz und in Schwaben genannt (und wie nicht)? Eine Übersicht

Schweizerdeutsch Schwäbisch Hochdeutsch
Guetzli, Gutzi, Plätzli Bredla/Brödla, Loibla, Guadsla, Plätzle Plätzchen
Plätzli - kleine Fleischstücke, gefüllte Teigtaschen

 

Anna Hubert (geb. Papapaschalis)

*********

Verwendest du vielleicht noch einen ganz anderen Begriff für Plätzchen? Oder benutzt man einen der oben genannten Begriffe in deinem Dialekt in einer anderen Bedeutung? Lass mir gerne einen Kommentar da!

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Website zuletzt aktualisiert am 26.04.2024 |  Anna Hubert: Übersetzerin, Lektorin und zertifizierte Werbetexterin, Französisch & Englisch → Deutsch-Sprachdienstleisterin aus Zürich  |  Impressum & Datenschutz  |  Sitemap