Falsche Kollegen? – «Freunde» vs. «Kollegen» im Schweizer Sprachgebrauch
Deutsch(e) in der Schweiz, Rubrik: Falsche Kollegen

Ich ♥️ Deutsch. Und ich liebe es, immer wieder neue Facetten meiner Muttersprache zu entdecken. Was hätte mir da Besseres passieren können, als in ein Land zu ziehen, das auf dem Papier zwar die gleiche Schriftsprache hat wie Deutschland, aber doch so anders tickt, spricht und eben auch schreibt? Ich nehme euch mit auf mein sprachliches Abenteuer «Deutsch(e) in der Schweiz»: von Falschen Kollegen über Scharfes S (und Essen) bis hin zu Nuggis & Nuschelis. Voilà!
Meine allerersten Schweizer «Kolleginnen»
Unternehmt ihr viel mit euren Kolleginnen und Kollegen? Die Antwort auf diese Frage hängt höchstwahrscheinlich nicht nur davon ab, wie gut die Stimmung bei euch im Büro (oder im Selbstständigennetzwerk) ist. Nein, sie hängt auch massgeblich davon ab, ob ihr in Deutschland oder in der Schweiz lebt.
Das wurde mir, lange bevor ich in die Schweiz zog, zum ersten Mal bewusst: als ich 2011 einen Intensivsprachkurs in Montpellier besuchte und mich mit zwei Schweizerinnen anfreundete. Wie das so ist, wenn man sich kennenlernt, erzählten wir uns von unseren Interessen und unserem alltäglichen Leben.
Da wir in unserem jeweiligen Heimatland alle einen Nebenjob hatten, wunderte es mich zunächst auch nicht, dass sie öfter mal von ihren «Kollegen» sprachen. Doch nach einer Weile kam es mir dann doch etwas seltsam vor, dass sie auch in ihrer Freizeit so viel mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu unternehmen schienen. «Kommt man sich in der Schweiz am Arbeitsplatz so viel näher?», fragte ich mich.
Auf die Arbeit kommt es an ...
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Der Grund, aus dem meine Schweizer Freundinnen so oft von ihren «Kollegen» sprachen, war jedenfalls ein anderer: In der Schweizer Umgangssprache bedeutet «Kollege/Kollegin» nichts anderes als «Freund/Freundin». Möchte man präzisieren, dass es sich um eine Person handelt, mit der man arbeitet, spricht man explizit von «Arbeitskolleginnen/-kollegen».
Wobei, wenn man ganz genau sein möchte, geht «Kolleginnen/Kollegen» bei manchen Schweizer:innen auch eher in Richtung «Kumpels» – also etwas mehr als eine Bekanntschaft, aber etwas weniger als eine enge Freundschaft. Denn für Menschen letzterer Kategorie verwendet man auch in der Schweiz die Begriffe «Freund» und «Freundin».
Das bestätigte mir Michelle (eine der beiden oben genannten Schweizerinnen), als ich ihr kürzlich vom Thema dieses Blogbeitrags erzählte: Sie verwende den Begriff «Kollegin/Kollege» viel seltener als früher, denn inzwischen habe sie eigentlich nur noch echte «Freundinnen und Freunde». Darunter glücklicherweise auch mich.